Elf Läden – bitte hinten anstellen

applestores

Screenshot: Apple.com/de

Manchmal ist es schwer, einen Blog-Eintrag anzufangen, ohne sich in seinem händeringenden Unverständnis zu überschlagen. Also fangen wir einfach mit der Ursache an, nämlich diesem Blog-Eintrag von Alex Olma, zum Großteil im Bezug auf Ausgabe 51 der Talk Show mit John Gruber und Gast MG Siegler. Am besten erst lesen, dann anhören, dann hier weiter lesen.

Ehrlich gesagt löst beides, sowohl der Text von Alex als auch der Podcast der beiden Apple-Fans, bei mir reichlich Unverständnis aus. Meiner Ansicht nach ballen sich hier Unwissen in einer Inkonsistenz dass man meiner Auffassung nach jedwedes logische Denken komplett ausschalten muss, um die Schlussfolgerung als nachvollziehbar wahrzunehmen.

Das wäre ja alles an sich nicht so schlimm wenn denn die ganze Welt nicht davon beeinflusst werden würde. Erst neulich verlinkte Gruber einen Text von Horace Dediu zum Thema Amazon, wo mich einige Kommentatoren mehrere Tage lang davon überzeugen wollten, dass die Firma ja ein Pyramidenspiel („Ponzi-Scheme“) betreibt. Mehrere Tage lang fragte ich nach, WER denn die Leute seien, die da Geld in Amazon direkt investieren bzw. wo Amazon das viele frische Geld herbekommt, das angeblich in in die Pyramide hinein fließt, um Gewinne vorzutauschen – ohne Antwort.

Genau so geht es mir hier. Die Idee ist ganz logisch – einfach exklusiv das iPhone 5C im Apple Store verkaufen und die Menschen werden in Scharen in die Läden strömen.

Elffache Exklusivität

Dass Alex dabei jedoch für meinen Geschmack ein Horror-Szenario beschreibt, in dem er es für „nicht komplett aus der Luft gegriffen“ hält, dass wir uns demnächst zum Erscheinungstag eines neuen iPhones, sei es dabei auch einfach nur ein iPhone 5C, vor den Eingängen von elf Apple-Stores in Deutschland die Beine in den Bauch stehen, wird offensichtlich von den Lesern ausgeblendet. iPads mit LTE bzw. 3G seien ja auch „nicht nur“ bei Vodafone und Co. mit Simkarte zu bekommen sind.

Ja. Nicht nur – sondern auch noch in hunderten Online-Shops. Und so ziemlich jedem anderen Laden mit vier Wänden in der Innenstadt, in Einkaufszentren auf dem platten Land und höchstwahrscheinlich generell überall da wo man Dinge kaufen kann, die auch nur entfernt etwas mit Elektronik zu tun haben.

Umgekehrte Realität

Apple möchte in den USA gerne mehr als die bisherigen 20% aller iPhones in den eigenen Läden verkaufen. Als Ansatz sieht Tim Cook die Genius-Bars in den 252 Apple Stores, wo bereits 50% aller zu reparierenden iPhones auflaufen – ohne dabei irgendwelche Zahlen zu nennen, wie viele iPhones dies denn genau sind. Sicherlich ist die Idee nicht schlecht – von der Theorie her könnten die 30.000 mit 11,91 US$ pro Stunde entlohnten Apple-Store Mitarbeiter pro Jahr 200 Millionen iPhones reparieren wenn dies ihre einzige Tätigkeit wäre (330 Arbeitstage, 8 Stunden pro Tag, 30 Minuten pro Reparatur). Auf iphoneblog.de in den Kommentaren hatte ich dazu bereits angesprochen, dass eine große Steigerung der Verkäufe fast unmöglich ist. Die Logik setzt voraus, dass ein hoher Anteil iPhones zu reparieren sein müsste, um die Kunden in die Apple-Stores zu bringen. Eine hohe Fehleranfälligkeit ist jedoch der Feind von hohen Gewinnen, und wenn es eine Firma gibt die hohe Gewinne macht, dann ist es Apple. Darüber hinaus widersprechen die seit Jahren hohen Zufriedenheitsstatistiken gegen die Annahme, dass iPhones häufig defekte zeigen und in einen Apple Store müssen. Ohne genaue Zahlen aber bleibt dieser Ansatz so oder so Augenwischerei. Alles ist möglich und die Augen werden groß ob der tollen Annahme „50% aller iPhones kommen zurück ins Geschäft“. Hoppla, ich hatte „zu reparierenden“ vergessen. Unter welcher Walnuss ist das Kügelchen?

Neues Spiel, neues Glück

Der neue Ansatz soll also sein, das „billig-iPhone“ 5C nur noch in Apple Stores zu verkaufen. Nicht online. Nur in den Stores.

Dazu ein kleiner Denkanstoß.

US-Bundesstaaten ohne Apple-Stores (5):

Montana
South Dakota
Vermont
West Virginia
Wyoming

US-Bundesstaaten mit einem Apple-Store (12):

Alaska
Arkansas
Delaware
Washington D.C.
Idaho
Iowa
Kansas
Maine
Mississippi
Nebraska
New Mexico
Rhode Island

US-Bundesstaaten mit zwei Apple-Stores (8):

Alabama
Indiana
Kentucky
Louisiana
New Hampshire
Oklahoma
South Carolina
Utah

Unabhängig davon, dass diese Liste sehr schön verdeutlicht, wo die Probleme bei Wahlen für den Senat in den USA liegen, sind dies zusammen 25 Staaten mit zusammen gerade einmal 28 Apple-Stores. Eventuell hat jemand schon einmal Urlaub in den USA gemacht und dabei herausgefunden, warum man zwingend auf einen Mietwagen angewiesen ist.

Offline First

Ich weiß ehrlich gesagt nicht, warum ich das überhaupt hinschreiben muss, aber MG Siegler und John Gruber diskutieren ernsthaft darüber, dass Apple mit seinen Stores irgendwie, warum auch immer, Apple dazu verhelfen könnte, die Marktmacht anderer Stores oder gar der Mobilfunkanbieter zu durchbrechen. Dies ignoriert folgende Dinge vollkommen:

1) Online ist die Zukunft
2) knapp 30% der US-Bevölkerung hat gar keinen Apple-Store in einem Umkreis von unter 100 Meilen (siehe Punkt 1)
3) die Mobilfunkanbieter haben ein festes Vertragsverhältnis mit den Mobilfunkkunden und dadurch den ersten, direkten Zugriff auf diese Kunden. Dies ist auch der Grund warum so viele Kunden, wenn überhaupt, in einem Geschäft eines Mobilfunkanbieters aufschlagen.
4) Mobilfunk-Qualiät entscheidet. Dies ist der zweite Grund, warum ein Kunde in einem Mobilfunkladen aufschlägt. Die Qualät des Netzes. Es mag verwirrend klingen aber wenn man in der Werbung sieht, dass T-Mobile ein tolles Mobilfunknetz hat, dann geht man als Kunde nicht in einen Apple-Store. Werbung fuktioniert leider nicht so dass wenn ich Pepsi-Werbung sehe als Reaktion folgt dass ich unbedingt mal Sinalco-Cola ausprobiere
5) Handy-Subventionen
6) Apple-Stores in Ballungszentren sind bereits heute ständig überfüllt

Es gibt Gründe dafür, warum Apple nur 20% aller iPhones in seinen Geschäften verkauft – dies hier sind die sechs wichtigsten.

Im Übertragenen Sinne

Übertragen wir das aber einfach mal auf Deutschland, so wie Alex Olma es getan hat.

Apple-Stores in Deutschland

Baden-Württemberg
Sindelfingen

Bayern
Augsburg
München

Hessen
Frankfurt
Sulzbach

Berlin (1)

Hamburg (2)

NRW
Köln
Oberhausen

Sachsen
Dresden

Das sind sieben Bundesländer. Wer in der Schule aufgepasst hat wird wissen, dass Deutschland 16 Bundesländer hat. Macht 9 Länder ohne einen einzigen Apple-Store. Der nächste Apple-Store von meinem Wohnsitz aus liegt 145km entfernt. Der Hälfte der Bevölkerung wird es ähnlich gehen.

Auch in Deutschland kommt man mit gr0ßer Wahrscheinlichkeit nicht unter 100km weg was den Zugang zu einem Apple-Store angeht. Auch in Deutschland gibt es tausende von Handy-Läden in denen iPads mit LTE bzw. 3G verkauft werden, in die die Kunden gehen weil sie ohne eine Online-Verbindung über ein Mobilfunknet nichts mit einem iPad mit Mobilfunk-Modem anfangen können. Handysubvenstionen gibt es bei uns (fast) nicht mehr. Wenn überhaupt bekommt man, wenn man einen Handykauf abschließt, einen 0%-Ratenkredit oder irgend einen Kleckerbetrag von unter 25 Euro als Anreiz, den Anbieter zu wechseln. So hoch ist alleine schon die Wechselgebühr für die Mitnahme der alten Telefonnummer. Dafür sind die Verbindungsentgelte im Vergleich zu den USA bei uns im Keller.

Fazit

Ich spreche es der Firma Apple nicht ab, tolle Geräte zu haben und die besten Läden zu haben, die man sich für diese Geräte vorstellen kann. Der gedankliche Ansatz jedoch, ein neues Gerät exklusiv nur in diesen Läden zu vertreiben, ist in den Zeiten des Internets und Online-Bestellungen kompletter Irrsinn und es verurteilt jedweden Erfolg dieser Geräteklasse zum scheitern.

Die langen Schlangen, die sich vor Jahren noch vor den Apple-Stores bildeten, waren ein nettes Zeichen einer großen Nachfrage. Die gebetsmühlenartigen Wiederholungen von Apple-Bloggern wie John Gruber jedoch, dass Apple mit jeder neuen Generation den gesamten, bisherigen Umsatz noch einmal oben drauf gelegt hat (2007 = 1, 2008 = 2, 2009 = 4, 2010 = 8, 2011 = 16, 2012 = 32-facher Umsatz mit iPhones im Vergleich zu 2007) verdeutlicht mehr als deutlich, dass selbst wenn man es wollte die kaum mehr bildlich vorstellbare Anzahl an iPhones überhaupt nicht durch 252 Apple-Stores in den USA, geschweige denn 11 Stores in Deutschland, schieben könnte, selbst wenn man es wollte. Es sei denn man ginge von vorne herein davon aus, dass die USA überhaupt nicht der Zielmarkt des iPhone 5C sind.

Der einzige Grund, warum John Gruber und MG Siegler überhaupt so frei über das Thema sprechen können ist die Tatsache, dass Menschen sich große Zahlen nicht vorstellen können.

Vorschläge

Wenn Apple den Erfolg der Mobilfunkfirmen eindämmen will, sollte die Tatsache endlich akzeptiert werden, dass der Basis für den Erfolg von Smartphones die Einführung von UMTS /EDGE gewesen ist. Entweder Apple wird selbst zum Mobilfunkanbieter, oder man macht „ganz einfach“ Amazon Konkurrenz. Horace Dediu meinte doch neulich dass das total einfach sei. Wobei Amazon natürlich keine WWDC Karten verkauft und das lief ja dieses Jahr so wunderbar reibungslos, oder?

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6 Antworten

  1. Oh, ich wollte die Online Stores, insbesondere die von Apple, nie außen vor lassen. Vielleicht hätte ich mich präziser ausdrücken sollen. Meine Betonung für das 5C ging in die Richtung: -> keine Subventionen, -> keine zweijährige Verpflichtung, etc. (Verkauf entsprechend dem iPad-Modell).

    • Sebastian Peitsch sagt:

      Narf… und ich schreib mir hier nen Wolf… 🙂

      Wobei ich dann auf den „Handyshop“ von Simyo hinweisen möchte. Die vertreiben selbst keine Handys und arbeiten mit einer „Partner-Firma“ zusammen. Im Prinzip kein Verkauf durch den Mobilfunkanbieter.

      Ob Apple dann dem Verkäufer des Handys („Fine Trade“) keine iPhones (mehr) liefern würde, wäre da die Kernfrage.

      Ich verstehe ja das Bedürfnis, von „Verkaufsgesprächen“ weg zu kommen, wenn ich mir aber z.B. den Deal von Sprint anschaue die eine feste Anzahl Geräte abnehmen mussten um überhaupt das iPhone 5 zu bekommen, stellt sich mir die Frage ob solcherlei Planungssicherheit für Apple nicht ausreichend geldwerter Vorteil ist, um weiterhin die Kröte zu schlucken.

  2. Hänschen Klein sagt:

    Hehehe, was ist das hier – der Alex Olma Watchblog?

    • Sebastian Peitsch sagt:

      Nee es ist eher das, was John Gruber möchte. Er hat keine Kommentare und die Antwort ist immer „mach ein eigenes Blog auf und schreibe dort“. So ausführlich hätte ich bei Alex auch nie schreiben können, dafür ist Disqus nicht der passende Rahmen.

      • Hänschen Klein sagt:

        Ach so, Gruber geht dir auf den Keks, dort kannst du aber nicht kommentieren, deshalb deine Auseinandersetzung mit dem deutschen Gruber. Verstehe… Finde es aber etwas bedenklich.

        • Sebastian Peitsch sagt:

          Alex kann ganz gut mit meinen Kommentaren umgehen. Ich habe vor knapp 20 Monaten offen in seiner Kommentarspalte damit gehadert, dass Disqus mich in meiner Linkwut ziemlich beschränkt und da hat er mich darin bestärkt, selbst ein Blog zu starten was das Thema Apple/Technik angeht.

          Gruber hat direkt den ersten großen Eintrag hier im Blog verlinkt und ich hatte dadurch 50.000 Besucher

          http://www.appleoutsider.de/2012/01/15/what-if-we-count-the-ipad-as-a-computer/

          Und auch Alex hat mehrfach hier in verlinkt und wir wissen gegenseitig dass es nie darum geht, den Anderen schlecht zu reden, sondern um die gegenseitige Bereicherung durch neue Erkenntnisse. Sieh das mal analog zur Wissenschaft – wenn dort ein Autor seine Erkenntnisse präsentiert ist es völlig normal dass andere Wissenschaftler sich mit Eifer daran machen, Lücken in der Logikkette zu finden.

          Noch ein positiver Effekt einen Kommentar hier, und nicht in Disqus, zu veröffentlichen ist auch, dass ich Problemkindern aus Alex Kommentarspalte aus dem Weg gehe die lediglich daran interessiert sind, rumzutrollen.