Lipstick on a Pig

Alex Olma veröffentlichte eben einen kurzen Kommentar zur Lage der finnischen Nation (sprich: Nokia). Darin nimmt er Bezug auf einen Artikel auf Pando Daily von Fahrad Manjoo, den ich dort bereits kommentiert hatte.

Zunächst: der Artikel von Farhad Manjoo ist für die Mülltonne. Wie wirr und falsch die Annahmen in seinem Text sind ist eigentlich bar jeder Beschreibung. Einzig durch seine eloquente Art schafft er es zu verstecken, dass er einen gedanklichen Kurzschluss hatte mit der Annahme „Google kaufte Motorola + Apple verdient Geld mit dem Verkauf von Telefonen + Microsoft verdient Geld mit der Lizenzierung von Windows Phone 7 = Google muss Android lizenzieren UND Handys bauen“.

Wie wirr dieser Artikel schon auf den ersten Blick wirkt wenn man vor zwei Wochen einen anderen Artikel auf Pando Daily gelesen hatte, dort von Trevor Gilbert, in dem dieser Samsung empfahl doch auf Windows Phone 7 umzusteigen, weil die Kosten nur geringfügig höher liegen als die Patentzahlungen die sie eh schon für jedes Android-Gerät an Microsoft zahlen müssen, muss ich glaube ich nicht ausschweifend erklären.

Nehmen wir uns statt dessen die Zeit, den restlichen Käse zu zerpflücken, den Manjoo in seinem Fondue an Nonsens „zusammenschmilzt“.

Alleine die Idee dass man ein Gratis-OS seitens Google „deckeln“ könnte in der Annahme, dass die Smartphone-Hersteller das, was man vorher geschenkt bekommen hat, jetzt auf einmal kaufen würden ist, gelinde gesagt, ein Scherz. Mathematik wird von Majoo hier geflissentlich unter den Tisch gekehrt. Die Lizenzzahlungen an Microsoft solle Google doch bitte einfach „wegverhandeln“. Dass selbige „eventuell“ überhaupt erst der Grund sind, warum die ganzen Smarthphonehersteller im Moment keine Gewinne mehr einfahren können (da sie ohne diese Zahlungen kalkuliert haben) – geschenkt. Die Hersteller machen also keine Gewinne weil sie sich gegenseitig den Markt wegnehmen. Diesem Bettler ohne Hemd soll Google also nun in die Tasche greifen. HTC, LG, Sony (Ericsson) stehen gegenüber dem iPhone mit dem Rücken zur Wand. Wahrlich ein herrliches Ziel für ein zu lizenzierendes Android 5.0

Aber kommen wir zum von Alex Olma zitierten Text von Manjoo:

In the phone business, the real money is in Apple’s model, in building and selling your own phones. Copy it.

Eben plädierte er noch dafür, das OS nicht mehr frei zu verkaufen und damit so richtig Geld zu scheffeln. Nun spricht er davon, selbst Hardware herzustellen (wenn ich mich nicht irre verdient Apple kein Geld mit dem OS selbst, da sie es niemandem verkaufen).

Drei große und unzählige kleine Hersteller schaffen es nicht, dem iPhone Paroli zu bieten. Nochmal: sie erwirtschaften fast ALLE (bis auf Samsung) keine oder nur geringe Gewinne. Motorola selbst hat auf der CES in Las Vegas diesen Januar zugegeben, mit der derzeitigen Produktpolitik den Kunden zu verar… äppeln (ab Minute 26). Zu viele Iterationen geben dem Kunden bereits wenige Tage nach dem Kauf das Gefühl, nicht mehr ein aktuelles Gerät zu besitzen. Die mangelnde Update-Politik gibt der ganzen Sache dann den Rest. Nicht mehr Monate nein TAGE nach dem Kauf hat man ein Android-Gerät das alt ist in der Hosentasche, sowohl was die Hardware angeht als auch die Software – denn was die Betriebssystem-Versionen bei Android angeht wissen wir ja alle Bescheid.

Aber zurück zu Google: 97% der Einnahmen kommen über Werbung. Jetzt sollen sie also Hardware bauen. In seinem Eintrag schreibt Alex, dass alle anderen Hersteller sich gegenseitig kannibalisieren, weil sie dem Smartphone-Markt hinterher gerannt sind. Dass eben diese ganzen Hersteller einfach alte Software hernehmen, z.B. ihren eigenen Android Fork bauen auf Basis noch als Open Source veröffentlichter Versionen, wird hier komplett unter den Teppich gekehrt. Dabei wäre es sogar im Bereich des Möglichen, dass Google als Standard-Suchmaschine auf diesen Geräten ersetzt würde. Man stelle sich das vor – Android ohne Google. Die Apps dürften die Hersteller ja eh nicht verwenden. Kein Google Mail, kein Google Maps oder Google Voice. Alles würde ersetzt werden müssen. Dass dies z.B. HTC ohne Weiteres tun würde (siehe Sense UI) – geschenkt. Dass Samsung noch zwei Smartphone-Betriebssysteme sein Eigen nennt (und derzeit zu verschmelzen versucht, wie intelligent das auch sein mag) – wurscht.

Kurz gesagt:

  • mit Telefonen ist kein Gewinn zu machen – also soll Google Telefone bauen?

und

  • Apple verkauft kein OS, Microsoft muss bezuschussen, damit Nokia überhaupt Windows Phone 7 verwendet – aber Google soll anfangen, das OS zu verkaufen?

Welche dieser beiden Strategien erwirtschaftet mehr Gewinn? (Hinweis: Gewinne mit negativem Vorzeichen zählen nicht).

Kommen wir aber zu Nokia, die „den Featurephone Markt melken“? (Zitat Alex Olma)

Ist es jetzt ein Alleinstellungsmerkmal dass man auf eine andere Art Verluste erwirtschaftet? 250 Millionen hat man alleine von M$ dafür bekommen, dass man Windows Phone verwendet. Sollen wir kurz mal hinschreiben wo man ohne dieses Geld bei Nokia wäre?

Das hier war 2010:
http://ncomprod.nokia.com/results/Nokia_results2010Q4e.pdf
Net Profits: 1141 Millionen bei 12,7 Milliarden Umsatz, eine Rendite von 9,5%
Und zu 2011:
http://ncomprod.nokia.com/results/Nokia_results2011Q4e.pdf
10 Milliarden Umsatz
-954 Millionen Verlust
ohne das Geld von Microsoft wären es
1104 Millionen Verlust

Es wird von 1 Million „ausgelieferten“ Lumia gesprochen in den Quartalszahlen.

Nokias Umsätze brechen im 4. Quartal Jahr-zu-Jahr um 2,5 Milliarden ein. Das Wasser steht nicht bis zum Hals – man ist mit dem Kopf bereits auf Kielhöhe – und es wird von „verlängern“ gesprochen.

Nokia hat keinen Smartphone-Markt mehr, sie haben diesen komplett aufgegeben, erwirtschaften damit NICHTS. Die Anlaufkosten für die Implementierung von Windows Phone 7 fressen JEDWEDEN Gewinn im Bereich Feature-Phones auf und dazu noch eine schlappe Milliarde Euro. Microsofts Bezuschussung hilft lediglich, den Verlust im dreistelligen Millionenbereich zu halten (!).

Nokia hatte FÜNF Jahre Zeit, sich einen Rettungsanker zu basteln. Sich komplett an Microsoft auszuliefern kostet sie nunmehr Milliarden.

Meine Analyse: hätte Nokia keine Featurephones, dann wären sie bereits jetzt insolvent. Dieses „sich Zeit erkaufen“ zu nennen ist schon irgendwie zum grinsen. Eine treffendere Einschätzung wäre: niemand außer Samsung macht mit Android-Smartphones Gewinn (und Goolge über Werbung sowie Microsoft über Patente). Nokia macht mit Windows Phone 7 Milliarden-Verluste.

Und Manjoo? Der schlägt doch allen Ernstes in Richtung Google vor: „Macht Apple nach, indem ihr Geld für das OS nehmt und indem ihr Telefone baut“. Apple nachzumachen aber würde bedeuten, AUF DESIGN WERT ZU LEGEN! Samsung kopiert hierbei Apple 1:1, im Gegensatz zu allen anderen Smartphone-Herstellern. Nirgends spricht Manjoo davon, dass Google doch auf das Design von Android genau so wert legen sollte wie Apple dies bei iOS tut.

Sein Artikel ist damit insgesamt ein Schlag ins Gesicht eines jeden Beobachters des Smartphone-Marktes. Seine Analyse ist falsch, sein Ratschlag unnütz, das Nicht-Verstehen dessen, was im Moment passiert, kollossal.

Und die Einschätzung zu Nokia auf iPhoneblog.de? Die hätte besser „Nokias letzte Hoffnung ist Windows Phone 7“ gelautet. Denn Microsoft hat ein OS gebaut, dass laut John Gruber durch sein Ansprechverhalten beim Scrollen und insgesamt in der UI ein wahrer „Contender“ ist (ab 1:04h) und der Feature-Phone-Markt wird in wenigen Jahren (wie die SMS?) nicht mehr existieren.

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2 Antworten

  1. Markus sagt:

    Mir sind generell diese Marktschreier suspekt, die mir weismachen wollen, sie hätten den Markt durchschaut und alles verstanden. Wenn sich riesige, mit Millionen ausgestattete Konzerne an Marktanalysen die Zähne ausbeißen, sollte jeder mit seinem Senf sehr sparsam umgehen.

  1. 13. 05. 2012 | 00:06

    […] I wasn’t the first to notice that Pando has a quality problem. I ripped into Farhad Manjoo in the past (German) but this blog post by Trevor Gilbert takes the cake in the “not getting it” […]